Hermann Wilhelm Hammann


Hermann Wilhelm Hammann


Hermann-Wilhelm Hammann wurde am 25.02.1897 in Biebesheim als uneheliches Kind der Hebamme Catharine Mathilde Hammann (*27.04.1872 +14.02.1955) geboren. Diese heiratete am 30.06.1898 den Bahnarbeiter/Bahnsteigschaffner und Pumpenmacher Georg Ferdinand Rothenstein, der offenbar auch eine Gastwirtschaft betrieb, die später ein Sohn weiter führte. Er wuchs in der Bahnhofstraße mit mehreren Stiefgeschwistern auf. Von 1903 bis 1907 besuchte er die Volksschule in Biebesheim. Von 1907 bis 1913 als Freiplatzschüler die Realschule in Gernsheim. Anschließend das Lehrerseminar in Alzey, wo er 1916 die Schulamtsanwärter-Prüfung bestand. Er wurde dann bis 1918 zum Militär eingezogen und kam an die Front, wo er als Flugschüler ausgebildet wurde. 1918 nahm er an der Novemberrevolution teil.

Nach dem Krieg trat er in die USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) ein. 1919 tritt er zur KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) über und wurde deren Vorsitzender in Groß-Gerau. Am 01.06.1922 heiratete er die Lehrerin Katharine Marie Weiß (*15.03.1892 +11.03.1984) in Darmstadt. Aus dieser Ehe ging die am 22.04.1923 geborene Tochter Gertrud hervor, die am 08.02.1970 verstarb. Von 1918 bis 1920 war er Schulamtsanwärter in Groß-Gerau und anschließend von 1920 bis 1931 Volksschullehrer in Wixhausen und gleichzeitig Mitglied des Provinzialtages der Provinz Starkenburg sowie Vorsitzender der KPD-Ortsgruppe Wixhausen. Von 1925 bis 1928 Mitglied des Gemeinderates in Wixhausen. 1927 bis 1933 Abgeordneter im Hessischen Landtag und ab 1931 Sprecher der KPD-Fraktion.

Im Oktober 1930 wurde er zu einem Monat Gefängnis, wegen Beleidigung von Innenminister Leuschner, verurteilt. Während des sogenannten „Opel-Putsches“ zeichnete er für ein Flugblatt presserechtlich als Verantwortlicher und es wurde 1931 in einem Disziplinarverfahren seine fristlose Dienstentlassung angeordnet. 1932 wurde er wegen „Rädelsführerschaft“ bei der Auseinandersetzung um die Absetzung des Mörfelder Bürgermeisters zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Sieben Wochen nach seiner Inhaftierung wird er erneut in den Hessischen Landtag gewählt und zur Wahrnehmung des Mandats, aus der Haft entlassen. Von Ende April 1933 bis Ende Februar 1935 wurde er dreimal inhaftiert und stand zeitweise unter Polizeiaufsicht. 1938 wurde er nach drei Jahren Zuchthaus Marienschloß bei Rockenberg mit der Beurteilung der Gefängnisleitung „Die bisher verbüßte Strafe hat auf ihn keinerlei Wirkung ausgeübt. Er hält nach wie vor an seiner früheren Einstellung fest“ entlassen. Am 12.10.1937 stellt die Ehefrau ein Gnadengesuch, das am 14.12.1937 abgelehnt wurde.

Im August 1938 erfolgte durch die Gestapo Darmstadt die Einlieferung in das KZ Buchenwald. Von da an ist er verschiedenen Arbeitskommandos zugeteilt. Ab August 1942 in der Häftlingsschreibstube und ab Januar 1945 als Blockältester dem Kinderblock 8, wo er sich um mehrere hundert Kinder kümmerte. Er war dort in der illegalen KPD-Gruppe aktiv und entwickelte 1944 gemeinsam mit anderen Häftlingen Pläne für den Neuaufbau eines demokratischen Schulwesens. Er gab den Kindern geheim Unterricht und organisierte Verpflegung und Kleidung, schützte sie vor Übergriffen der SS und vermittelte Kontakte zu Angehörigen im Lager. Als Anfang April 1945 die Evakuierung der jüdischen Häftlinge begann, rettete Hammann gemeinsam mit Häftlingen der Schreibstube über 400 Kinder, darunter auch alle 159 jüdischen Kinder in seinem Block vor dem Todesmarsch, indem er ihre gelben Winkel entfernen ließ, die Eintragungen in der Häftlingskartei änderte und den misstrauischen SS-Männern versicherte er, dass die jüdischen Kinder bereits abtransportiert worden seien. In dem allgemeinen Chaos der letzten Tage bis zur Befreiung am 11.04.1945 gelang ihm das.

Im Mai 1945 kehrte er wieder zurück nach Groß-Gerau und war wieder aktiver KPD-Funktionär. Die Heimatzeitung in Groß-Gerau meldete seine Rückkehr unter der Überschrift „ Der Hölle entronnen“.

Im Juli 1945 erfolgte Hammanns Einsetzung als kommissarischer Landrat durch den Präsidenten der Deutschen Regierung des Landes Hessen. Am 17.10.1945 erfolgte durch die hessische Landesregierung die Ernennung zum Landrat auf Lebenszeit. Ende Oktober erfolgte allerdings, auf Verlangen der Militärregierung die Suspendierung vom Amt.

Von Dezember 1945 bis Februar 1946 war er wegen angeblich unbegründeter Vorwürfe gegen den CIC-Offizier Wanner inhaftiert. Er wurde durch das Darmstädter Militärgericht im Februar 1946 frei gesprochen. Am 22.03. 1946 wurde er erneut durch die Besatzungsbehörden verhaftet und bis Mai 1947 ins ehemaligen KZ Dachau gebracht. Die Anklagebehörde bescheinigte ihm bei seiner Entlassung „eine vollkommene antifaschistische Einstellung und seine Unbescholtenheit“. Dies war auf eine internationale Aktion ehemaliger KZ-Mithäftlinge zurückzuführen, die ihm attestierten, dass die Vorwürfe haltlos seien. Von 1947 bis 1955 war er KPD-Sekretär des Kreises Groß-Gerau und Abgeordneter im Kreistag. 1947 war er auch Mitbegründer von VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten).

Am 26. Juli 1955 kam er bei einem Autounfall ums Leben. Er kollidierte mit einem US-Panzer bei Königstädten. Obwohl er äußerlich nur Nasenbluten gehabt haben soll verstarb er in einem amerikanischen Militärkrankenwagen. Auf dem Friedhof Groß-Gerau wurde er beigesetzt. Die Grabplatte ist noch vorhanden obwohl die offizielle Ruhefrist abgelaufen ist.

Am 18. Juli 1984 ehrte die israelische Stiftung Yad Vashem in der „Alle der Gerechten“ Wilhelm Hammann posthum als „Gerechter unter den Völkern“ wegen der Rettung der jüdischen Kinder im KZ Buchenwald. Es ist die höchste Auszeichnung die Israel zu vergeben hat.

Seit 1989 dokumentiert die Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand als zentraler Ort der Erinnerung in der Bundesrepublik Deutschland umfassend die Motive, Ziele und Formen des Kampfes gegen die nationalsozialistische Diktatur. Hier wird auch Wilhelm Hammann mit einer Tafel geehrt.

An seinem 65. Todestag forderten DKP und Antifaschisten bei einer Gedenkveranstaltung für ihn ein Ehrengrab einzurichten. Da es etwas Derartiges in der Groß-Gerauer Friedhofssatzung nicht gibt, sollte nach einer anderen Möglichkeit gesucht werden das Andenken an ihn zu bewahren. 2020 übernahm die Stadt Groß-Gerau die Pflege der Grabstätte. 2022 wurde auf dem Friedhof, neben seinem Grab, eine Stele errichtet, die auf sein Wirken hinweist.

Wegen seiner kommunistischen Überzeugung war der in Biebesheim geborene Hammann, der ein streitbarer Mensch war, in seiner Heimat nicht unumstritten.


Bild vor der Gaststätte Rothenstein (Das Haus in der Bahnhofstraße in dem er zusammen mit seinen Stiefgeschwistern aufgewachsen ist.)
Mit x gekennzeichnet.


Hermann-Wilhelm Hammann als Soldat während des 1. Weltkrieges


Hermann-Wilhelm Hammann in seiner Zeit als Volksschullehrer in Wixhausen


Hermann-Wilhelm Hammann mit seiner Ehefrau der Lehrerin Katharine Marie geb. Weiß


Hermann-Wilhelm Hammann mit seiner Tochter Gertrud


Hermann-Wilhelm Hammann in seiner kurzen Zeit als erster Landrat des Kreises Groß-Gerau nach dem 2. Weltkrieg 1945


Artikel in der Abendpost/Nachtausgabe 27.07.1955

© Norbert Hefermehl 04/2023