Familie Hermann Goldschmid


Die Familie Hermann Goldschmidt

Durch Kontakte in den USA bot sich der Familie Goldschmidt die Möglichkeit, dorthin auszuwandern. Die Familie hatte ihr Anwesen in der Bahnhofstraße bereits verkauft und daher keinen Wohnsitz mehr in Biebesheim. Die letzten Tage in ihrer alten Heimat verbrachten sie folglich bei der gegenüber wohnenden und zu guten Freunden gewordenen Familie Wedel. Trotz des Verkaufs ihres Hauses waren Trupps der SA dort ständig präsent. Die Goldschmidts waren durch deren Anwesenheit genötigt tagsüber im Hause der Wedels zu verweilen.

Man befürchtete von Seiten der Nazis schlimme Übergriffe. Als alle Vorbereitungen zur Ausreise getroffen und die für die Reise notwendigen Papiere beisammen waren, stand allerdings noch die SA als eine der letzten Hürden vor dem Haus. Die Goldschmidts beschlossen die Abreise auf die Nacht zu legen, da zu dieser Zeit der Trupp der Schutz-Staffel entweder in seinem Lastwagen vor dem Haus schlief, oder zum Schlafen nach Hause fuhr. In der Nacht der Abreise kam ein Cousin von der mit den Goldschmidts befreundeten Familie Wedel, der sie mit dem Auto nach Frankfurt an den Bahnhof brachte. Von dort ging es mit dem Zug nach Hamburg und mit dem Schiff weiter in die USA.

Sie meldeten sich 1936 nach Mineapolis (USA) ab.

Bevor sich die Familie Hermann Goldschmidt 1936 in die USA abmeldete, wohnten sie mit den Kindern Walter (*1922), Else (*1924) und Ingeborg (*1930, gest. 1931) in der Bahnhofstraße 25 unweit der Synagoge.

Hermann Goldschmidt handelte mit Möbeln. Allerdings waren die Möbel, die er verkaufte nicht in Biebesheim gelagert, sondern er vermittelte solche direkt vom Hersteller an seine Kunden. Als unterstützende Kraft war er zudem im Kaufhaus „Ermann“, seiner Schwester Melitta und seines Schwagers, beschäftigt.

Nachdem die Familie Goldschmidt zunächst nach Minneapolis auswanderte, zog sie kurz darauf von dort nach Chicago und wohnte in der Nähe des dortigen Hyde Parks. Ihr Sohn Walter machte seinen Schulabschluss an der Hyde Park High School und wurde 1943 in die US Armee eingezogen. Seine Gewandtheit in der deutschen Sprache brachte ihm einen Platz in der Militärregierung des damaligen Nazideutschlands ein, das von den Alliierten befreit und daraufhin verwaltet wurde.

Nach dem Krieg fand Goldschmidt eine Anstellung bei „Continental Grain“, ein Konzern der im Bereich des Getreidehandels tätig war.

Für die Firma übernahm er zunächst Botengänge am „ Chicago Board of Trade“ und verbrachte einen Großteil seiner Zeit in den firmeneigenen Getreidespeichern, wo auch sein Vater arbeitete. Im Laufe der Jahre arbeitete sich Goldschmidt im Unternehmen nach oben. Im Jahre 1960 übernahm er in Milwaukee ein Büro des Konzerns und erreichte dadurch das Aufsehen der Firmenführung in New York, wo er 1966, für einige Zeit, hin berufen wurde, um die Firma in Planungsangelegenheiten zu unterstützen.

Zurück in Chicago unterstützte er in den frühen 70ern den Konzern beim Aufbau einer Maklerabteilung für Termingeschäfte die den Namen „Conticommodity“ trug. Die folgenden acht Jahre fungierte er als Präsident dieser Sektion. Ab 1981 arbeitete er, mit zwei weiteren Personen, im Führungsteam von „Continental Grain“. Nur einige Jahre später stieg er zum „chief executive officer“ des Unternehmens auf. Sein Berater, der später auch ein guter Freund wurde, war Henry Kissinger.

Im Laufe seines Lebens entwickelte Goldschmidt ein hohes Interesse für moderne Kunst, eine Leidenschaft, der er mit Eintritt ins Rentenalter intensiver nachging. Im Jahre 1985, nachdem Walter und seine Frau ein Ferienhaus in Arizona kauften, wurden sie zu geschätzten Gönnern des dortigen „Scottsdale museum of modern art“. Die Museumsführung bezeichnete ihn als einen „Genießer höchster Klasse“. Goldschmidt hatte neben dem Enthusiasmus für moderne Kunst und Architektur zudem ein „kostbare Tiefe an Kunstkenntnis“. Das „Scottsdale museum“ widmete seiner Sammlung im September 2007 eine eigene Ausstellung mit dem Titel „abstracted figures and geometric constructions“.

Aber auch was gemeinnützige Zwecke betraf, waren Goldschmidt und seine Frau sehr aktiv, indem sie „Projekt Liveline“ starteten, ein charakteristisches Programm im Bundesstaat Illinois, das kriminell gewordene Jugendliche berät und unterstützt. Walter Goldschmidt starb im Alter von 84 Jahren am 9. Juli 2007 in Folge einer Lungenentzündung.




Hermann Goldschmidt (Mitte) mit befreundeten Nachbarn um 1925.


Die Geschwister Walter und Else Goldschmidt lebten in der Bahnhofstraße 25.
Das Foto wurde vermutlich kurz vor der Auswanderung in Biebesheim im August 1936 aufgenommen.


Als im Mai 1921 die christlichen Nachbarn der Familie Goldschmidt heirateten, gehörten auch die Geschwister Hermann und Meliita Goldschmidt zu den Gästen.
Hermann Goldschmidt ist hinter dem Brautpaar zu sehen, Melitte in der hinteren Reihe als 3. von rechts.


Texte aus jüdisches Leben in Biebesheim Fotos Bildrachiv des Heimatmuseums Biebesheim am Rhein